Fragment #1

Es ist ein gewöhnlicher Tag, in diesem Avatar, auf diesem Planeten. Gewöhnlich heißt, „da draußen“ erscheint hektische Verwirrung, die sich diffus bewegt, zerstreut, hier rein, da raus, durch die Gehirnwindungen – „aha“, „oha“ erzeugend – das Nervensystem kurz durchlaufend, um sich dann im Äther, im Netz der Matrix wieder zu verzweigen, vibrierende Frequenz, Bausteine der Materie. 

“Gewöhnlich” ist jedoch auch diese Stille, diese Leere, die von innen heraus alles durchdringt, zur Verfügung stellt. Sie wohnt nicht hier und nicht dort, nicht diesseits, nicht jenseits, ist nicht von dieser Welt und doch durchdringt sie sie vollständig. Nicht greifbar, nicht sichtbar, nicht messbar, gleich dunkler Materie.

Meine Tage sind Manifestation dieser stillen, unsichtbaren Anwesenheit, sie tragen diesen ewigen Moment in sich, der durch alles blickt, durch jede Form und Erscheinung. Nichts und niemand kann darin bestehen, nichts besitzt Dauer. 

Wenn es etwas wie innerhalb dieser weltlichen „Matrix“ gibt, dann bin ich außerhalb. Wohlwissend dass innerhalb und außerhalb nicht wirklich existieren, und was auch immer „die Matrix“ und „ich“ ist, kein innerhalb und kein außerhalb kennt. 

Es ist mein Gehirn (vermutlich), welches diese Unterscheidung vollzieht, anhand seiner Fähigkeit der Wahrnehmung, der sprachlichen Interpretation, und diese als Projektion erscheinen lässt. Die Matrix ist eine Art komplexes Wortgebilde, deren Worte Frequenz, Information sind. Sie existiert nicht wirklich, was faszinierend ist anhand ihrer Fähigkeit „Wirklichkeit“ zu gestalten und zu strukturieren, und auch gestaltend auf den Avatar einzuwirken.

Der Avatar ist möglicherweise der direkteste Ausdruck der Matrix, der die in Raum und Zeit gespeicherten Informationen, das große unbekannte Unterbewusstsein, in seinem zellulären Bewusstsein, der DNA, trägt und über das Nervensystem in aktivem Austausch steht:: diese Welt berührt mich nicht mehr, sie durchdringt mich. 

In diesem Durchdringen fällt Abgrenzung schwer und nicht selten überwältigte mich in meiner Erinnerung die schiere Fülle an Information aus dem kollektiven Unterbewusstsein in meiner damals empfundenen Begrenztheit, die nicht zuletzt durch Identifikation mitunter unerträglich erschien. Empfindung und Gedanke – alles wirkte höchstpersönlich, hängte sich wie ein Betonklotz an diese imaginäre Entität, die ich „Ich“ nannte, mit der ich mich identifizierte, von der ich dachte, sie wäre die Quelle dieses unergründlichen, unkontrollierbaren Datenstroms der mich durchflutete. Nicht selten reagierte mein humanoides System inmitten der Sturzflut von kollektivem Unterbewusstsein und Trauma impulsiv, obgleich oft nach keiner Antwort gefragt war. 

Die Erinnerung verblasst stetig, löst sich in diese Weite und Leere hinein, verliert ihre Anhaftung. Vielleicht deshalb fühle ich mich „außerhalb“ der weltlichen Matrix, weil ihre Sehn-Sucht nach einem Ziel, nach dem Ankommen, nach einem Höhepunkt, nach der Erlösung keine Resonanz mehr in meinem System hervorruft. In dieser Weite haben alle Wellen Raum sich auszubreiten, ohne Wehmut, dabei an Bedeutung zu verlieren.