Interim

Da stehst du jetzt nackt vor mir – oder ich stehe nackt vor mir?
Vorhin war dir noch nicht klar, wohin es geht, worum es geht. Und nun ist es noch weit unklarer. Mit kalten Augen mustere ich dich, nicht ein Mü kannst du in ihnen lesen, nicht die geringste Regung offenbart sich dir. So scheinst du mir jetzt wehrlos ausgeliefert, mit nichts mehr am Körper, das dich wärmen und schützen könnte, vor meinem durchbohrenden Blick. Mit dem Rücken zur Wand, eine Schweißperle auf deiner Stirn, ist es Angst, oder Lust?

Du wartest darauf, dass irgendetwas passiert, und dabei weißt du nicht, wie dir geschieht. Es scheint keine Sekunde mehr zu vergehen, kein Lufthauch mehr, der sich im Raum bewegt, der deine nackte Haut berührt. Schneidet es dir die Kehle zu, so dass du kaum mehr atmen kannst? Ist es heiß oder kalt, das dir den Rücken herunterläuft?

Die Schlingen um deine Gelenke ziehen sich fester zu, verstärken deine Unbeweglichkeit unermesslich. Du versuchst deiner Fixiertheit mit Widerstand zu begegnen, doch in dem Moment, als du dich bewegst bemerkst du sie, die Schlinge um deinen Hals. Jetzt steigt Panik in dir auf. „Wie ist sie um meinen Hals gekommen? Wie hat sie das geschafft?“ Sie schneidet dir deine Luftröhre ein, zwischen Würgen und Röcheln versuchst du dich zu beruhigen, eine Position zu finden, die dir in dieser Enge zumindest das flache Atmen erlaubt.

Dein Brustkorb bewegt sich hastig auf und ab, du bist derart in dieser Körperlichkeit gefangen, dass du gar nicht bemerkt hast, wie sie längst den Raum verlassen hat. Zurück gelassen, dir selbst überlassen. Ohnmächtig, ohne Kontrolle darüber, was hier weiter geschieht. Wärest du zur Bewegung fähig, du würdest zittern, und dieser Kontrollverlust nimmt dich mehr und mehr ein. Ungeahnte Intensität steigt in dir auf, Erinnerung an einen längst vergessenen Geschmack, reizend, wie ein süsses, vernichtendes Gift.

Und dann geht das Licht aus. Und bald wird es hell.