Im Angesicht des Untergangs

Du schaust ihr in die Augen und versuchst, irgendwas darin heraus zu lesen. Irgendetwas, das du verstehen könntest. Ihre Augen sind tief wie die dunkle Nacht, aber in ihrem schwarzen Abgrund lodert ein Feuer. Man kann es kaum sehen, da es fast völlig von der Dunkelheit absorbiert wird. Unbekannte Tiefen verschlucken das Gesehene, das Erschaffene, das auf unbeständigen Böden Gewachsene und Gelebte. Geschichte gerät in Vergessenheit, taucht in den Niedergang ein. Die Dunkelheit nimmt sie mit nach Hause.

Du siehst das Feuer in ihren Augen, ihr Blick ist eins mit der Zerstörung dessen, was vergänglich ist. Verdorbene Substanz, die noch versucht, zusammenzuhalten, was bereits der Vergänglichkeit preisgegeben wurde. Sie lässt sich bereitwillig vom Feuer anstecken, lässt zu, dass es sich tief in ihre Strukturen einbrennt, wie ein Virus, das die DNS verändert und das Programm zur Vernichtung des Wirtes ausführt, der all seine Kämpfe ausgefochten hat und nun seiner endgültigen Niederlage gegenübersteht.

So gewaltig es auch erscheint, ist es doch nur ein kurzer Funke in der Leere, tief, weit und unergründlich. Du kannst es in ihren Augen erkennen. Sie haben den Aufstieg und Untergang von ganzen Zivilisationen, Sonnensystemen und Galaxien gesehen. Nichts ist ihnen fremd, nichts ist neu. Alles ist bekannt, alles ist vergessen, um nur wieder entdeckt und offenbart zu werden. Du siehst die Lust und Gleichgültigkeit in ihren Augen, die jede Form in die Knie zwingt, sie zerschmettert, in ihre kleinsten Teilchen zersetzt. Du bist fasziniert von der Freude und dem Gleichmut darüber, wie sie dann das, was völlig fragmentiert war, in aufkommender Vernetzung und Wechselwirkung vereinigt und hochkomplexe Strukturen hervorbringt, multidimensional.

Und mittendrin – du – entsetzt und gleichzeitig gefesselt von dieser wilden, dennoch äußerst intelligenten Kraft. Wie du mit dem eins wirst, das du als von dir getrennt betrachtet hast, das du als etwas wahrgenommen hast, das dir widerfährt. Jetzt erkennst du – du bist der Anfang, du bist das Ende. Du bist die Geburt, du bist der Tod. Du bist Erinnerung, du bist Vergessenheit. Du bist der Aufstieg und der Fall. Form, die sich aus dem Unbekannten aufrichtet, Licht, das von der Leere absorbiert wird.