Polterabend

So war er nun da. Dieser Moment, dieser eine. Der Eine. Blinzelnd blicke ich an dir nach unten, wieder hoch, in deine Augen, die die meinen sind. Ich erkenne mich nicht mehr wieder.

Meine Erinnerung ist verzerrt, und so meine ich dich nicht zu kennen, und ich kenne dich schon mein ganzes Leben, doch mein ganzes Leben ist nicht wahr. Da wohnt jemand, in diesem Haus, und es ist im Grunde unbewohnt, schon immer und für immer. Alte Möbel erzeugen den Eindruck vergangener Tage, dabei habe ich gar nicht bemerkt, wie sie in einem Moment, in dem einen auftauchen, um zu verschwinden, sobald ich mich umdrehe. Ein Geisterhaus, das mich einlädt in ihm zu wohnen, damit sich die Geister nicht so alleine fühlen; denn sie existieren nicht wirklich. Aber wer möchte schon in einem Geisterhaus wohnen?

Heute wohne ich nicht, heute ziehe ich aus um die Geister zu vertreiben. Ich erkenne sie nicht in dir, und in meinem Haus ist der Polterabend. Geschirr fällt zu Boden, fliegt gegen die Wand, geht zu Bruch in tausend Scherben. Sie lachen, alle, und hören dabei nicht, wie sie weinen. Alle. Nichts davon ist wahr. So treten sie und du und ich barfuss auf die Scherben und tanzen auf ihnen wie verrückt, bis die Scherben die Fusssohlen aufschneiden und alles voller Blut ist. Und noch wilder wird der Tanz, noch tiefer graben sich die Scherben in die Füsse, sie knirschen schon am Boden. Schreie vor Verzückung und Schmerz. Und noch mehr Blut quillt aus den Füssen, so viel bis der ganze Boden bedeckt ist und niemand mehr aufrecht stehen kann. Sie fallen hysterisch lachend übereinander her, wälzen sich auf dem blutverschmierten Boden, besudeln sich mit dem Blut, ihrem Blut, deinem Blut, meinem Blut. Gierig lecken sie dir die Füsse, leckst du ihnen die Füsse, lecke ich den Boden auf. Münder gehen auf und zu, Zungen hängen heraus, Augen verdrehen sich, Körper zucken. Zucken wie verrückt. Wie Fische, die aus dem Meer geraubt nach Luft schnappen, dem Tod alles entgegensetzen wollen, was sie nur haben. Ein ganzes Leben. Das Eine.

Und dann drehe ich mich um.