Vom Unheilbaren heilen

Das menschliche organische Leben ist vom ersten Atemzug an dem Tod geweiht, sein Beginn bedeutet bereits sein Ende. Die Natur des Körpers ist vergänglich, er ist eine kurze Erscheinung strukturierter Moleküle/Materie im weiten Reich der imaginären Zeit und des Raums, und er erzählt eine Geschichte des Lebens, des menschlichen Lebens und der Erfahrung. Seine Zellen und seine DNS tragen eine Aufzeichnung der menschlichen Geschichte, des kollektiven Traumas und Karmas, des Aufstiegs und Niedergangs von Zivilisationen, Kulturen und Gesellschaften. Der Körper ist die Manifestation des kollektiven Bewusstseins, ein Übermittler vor allem unterbewusster Erinnerungen, gegenwärtiger Konditionierung und Programmierung, und er hat seine ganz eigene Sprache, um diese zu offenbaren. Seine unterbewussten Manifestationen entsprechen oft dem gegenwärtigen Geist, der auf Trennung, Angst und Kontrolle konditioniert ist, und sie können als Symptome und Krankheiten erscheinen.

Diese Informationen wurzeln häufig tief im (kollektiven) Trauma/Karma der Trennung, das oft über Generationen hinweg verdrängt und vor dem Wachbewusstsein verborgen wird und sich durch angeeignete Ego-Überlebensmechanismen ausdrückt. Es kann zu schmerzhaft und überwältigend sein, sich ihm zu stellen. Irgendwann beginnen sie jedoch an die Oberfläche zu drängen um enthüllt und freigesetzt zu werden, und die Sprache des Körpers kann intensive und auch erschütternde Ausdrücke verwenden, um ihre „Wahrheit“ auszusprechen, eine „Wahrheit“, die dem Licht des Bewusstseins begegnen möchte.

Da der menschliche Körper von Natur aus sterblich ist, wird der Tod zum stärksten Verbündeten und zur stärksten Kraft in seinen Transformations- und Regenerationsprozessen. Die Zellen des Körpers durchlaufen in einem Leben mehrfach den Todesprozess, um durch neue ersetzt zu werden. Der Körper stirbt buchstäblich mehrmals in einem Leben, ohne dass die fiktive Persönlichkeit dies überhaupt bemerkt. Die Persona ist jedoch tief mit dem Körper verbunden und identifiziert sich mit ihm. So ist die Vorstellung vom Tod des Körpers für den Ego-Verstand die seiner Vernichtung. Er fürchtet sein Ende ins Ungewisse, wenn der Körper aufhört zu existieren, ohne zu wissen, dass sich die Existenz des Körpers bereits in neue Formen umgewandelt hat, die seit seiner Geburt durch Vergehen und Wachstum ständig fortbestehen.

Diese neuen Zellen können immer wieder durch die Informationen geprägt werden, auf die das Unterbewusstsein/Gehirn seit Geburt konditioniert wurde; auch können sie epigenetische, kollektiv geteilte Erinnerungen tragen. Solange unterbewusste und epigenetische Programme nicht durch das Licht des Bewusstseins illuminiert werden, programmieren sie den Organismus entsprechend weiter in seine Lebensgeschichte aus ererbten Traumata/Karma und Konditionierungen.

Krankheit und Symptome des Körpers können als dessen Zeugnis betrachtet werden. Auf diese Weise wird der Körper nicht als Feind, als feindlicher Ort der Existenz wahrgenommen, sondern als Bote und als solcher als Verbündeter, der Licht in die verborgenen und unbekannten Teile der eigenen Existenz bringt.

Symptome und Krankheiten, die als „unheilbar“ diagnostiziert werden, bedeuten zunächst, dass man sie noch nicht ganz versteht und daher nicht weiß, wie sie geheilt werden können. Sie können dazu einladen, das somatisierte und manifestierte Unbekannte zu erforschen und Verantwortung (im Sinne einer bewussten Anwort auf das Leben) zu entwickeln. „Unheilbaren“ Krankheiten fehlt oft das Bewusstsein über ihre Herkunft, über ihre Dynamik, über ihre Entfaltung, auch wenn es Fragmente von „Wissen“ geben mag, die gelegentlich auftauchen. Was aber ist Wissen ohne Verstehen?
(Verstehen bezieht sich hier nicht auf eine rein kognitive Hirnfunktion, wie z.B. rational-lineares Verstehen, sondern eines, das sich ohne „Wissen“ über die Zusammenhänge von allem, was ist, bewusst ist, zuversichtlich und furchtlos, die Weisheit des Herzens. Dieses Verstehen ist „Liebe“.

Bei der Prognose des „Unheilbaren“ handelt es sich oft eher um Spekulationen über das Unbekannte, bei denen versucht wird, eine mögliche Zukunft vorherzusagen, ohne wirklich eine fundierte Grundlage zu haben. Dem Unbekannten wird in der Regel mit Angst und Zweifeln begegnet und versucht, es mit Kontrolle zu behandeln. Die Kontrolle hat jedoch keine Macht über das Unbekannte, und ihre Mechanismen wie Verdrängung, Widerstand, Vermeidung und Verleugnung versagen schließlich, und dann bleibt angesichts der Hoffnungslosigkeit und der Vergeblichkeit, etwas zu tun, nur noch die Hingabe.

Hingabe öffnet die Tür zur Fähigkeit des Zuhörens und des reinen Gewahrseins. Du hörst auf zu tun. Du gibst den Widerstand auf. Du hörst auf zu kämpfen. Du wagst es, dich dem zu stellen, was ist, wagst es, dich dem Unbekannten zu stellen, der Tatsache, dass der Körper ein vergänglicher, sterblicher zellulärer Organismus ist, der den Zyklen von Wachstum und Verfall unterliegt. Es gibt eine Kraft, die den Körper mit Leben füllt, die ihn wachsen und sich regenerieren lässt, die sein Herz schlagen und seine Nerven spüren lässt, bis der Zyklus auf natürliche Weise in Verfall und Sterben übergeht, so wie die Blätter im Herbst langsam vom Baum fallen.

Wenn du dich mit dem sterblichen Körper identifizierst, ihn als getrennte Wesenheit wahrnimmst, aber nicht die Kraft erkennst, die ihn lebendig macht, die innewohnende Lebendigkeit, kann alles, was der Körper ertragen muss, wie etwa eine Krankheit, zu einer Bedrohung und zu einer Form des Leidens werden. Da die Identität im Allgemeinen an den Körper gebunden ist, wird eine Krankheit zu deiner Identität, und das Leiden kann zu deiner Identität und Anhaftung werden. Du wirst buchstäblich zu dem, was krank und unheilbar ist, und da Identifikation ein begrenzter Bewusstseinszustand ist, wird dein Körper zu deinem Gefängnis, dein Leben wird zu einem Gefängnis. In diesem Zustand der Begrenzung scheint das Leben durch den Filter der Krankheit betrachtet von Diagnose und Prognose bestimmt zu werden, und die Türen zur Weite der Möglichkeiten, der Lebendigkeit und der Ausdehnung scheinen verschlossen. Es kann sein, dass du anfängst, dich gegen die Geschichte zu wehren, die dir dein Körper erzählt, während er dich besonders darum bittet, auf seine Botschaft zu hören und sie zu verstehen. Oder der Geist spaltet sich vom Körper ab und verleugnet ihn, während er darum bittet, zu erkennen und zu vereinen, was getrennt zu sein scheint. Möglicherweise hat die mentale Einstellung einen wichtigen Einfluss auf die Zellen des Körpers, sei es in Richtung Remission oder Degeneration.

Verstehen führt zu Frieden und Versöhnung, Verstehen ist Liebe. In der Atmosphäre des Friedens und der Liebe kann Heilung geschehen, und diese Art von Heilung ist nicht nur an das fragile und vorübergehende Funktionieren und die Gesundheit des Körpers gebunden. Sie erkennt, dass dieser Zustand des Friedens, der alles, was ist durchdringt, die gesuchte Gesundheit ist. Selbst wenn die letzte Bestimmung des Körpers darin besteht, seine wie auch immer gearteten Prägungen durch den Tod zu transformieren, ist das Zulassen dessen, was ist, die Loslösung von dem, was von Natur aus vergänglich ist, während man völlig in Frieden mit dem ist, was ist, die Grundlage für wahre Heilung. Es ist die Angst vor dem Tod, die geheilt wird. Der Kampf gegen den Tod und für das Leben endet, der Krieg endet, die Schlachtfelder lösen sich in weite, leere Räume auf; und das, was vom Leben getrennt zu sein schien – wie Krankheit – wird zu einem natürlichen Ausdruck und einer Erscheinung des Lebens, die eine Geschichte erzählt, so wie alles existierende Leben.

Frieden ist der wahre Zustand und die Grundlage der Heilung aller Zustände, ganz gleich, wie sie bezeichnet werden. Es gibt kein Entrinnen vor der Vergänglichkeit der Materie, weder für den Körper und das Gehirn, noch für irgendeine von Geist und Gehirn geschaffene Realität. Die Erkenntnis, dass der Tod eine natürliche Folge allen organischen Lebens ist, lässt eine allzu starke Anhaftung an den Körper und die Geschichten, die er erzählt, sinnlos erscheinen.

Das Leben ist eine fortwährende Einladung, den Reichtum, die Weite und die Vielfalt seiner unzähligen Farben, Schattierungen, Erscheinungen, Formen und Facetten zu erkunden. Das Leben unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse, in seiner Ausgestaltung lässt es alles zu, zwischen Geburt und Tod, zwischen Wachstum und Verfall. Lebendigkeit kennt keine Grenzen, und jenseits der imaginären Trennlinie, die das Gehirn durch seine Verarbeitung und Interpretation der Wahrnehmung erschafft, kannst du den Puls des Lebens, der alle Formen der Existenz durchdringt, entdecken und dich mit ihm vereinen.