Der Blick folgt einem Schatten, in facettenreichem Grau. Er führt in eine unscharfe Erinnerung, einen vermuteten Ursprung des Daseins. Vor langer Zeit wurde dem Schatten ein Name gegeben. Ein Name, voller Erwartung für eine imaginäre Zukunft. Für eine Idee, die sich in Fleisch und Blut manifestieren soll. Diese Idee, dieser Name, diese Erwartung wurde zu einer Persönlichkeit, zu einer Identität.
Identität besteht aus Glauben und Biologie. Sie ist zutiefste Identifikation mit Überzeugungen und Biologie und an diese gefesselt. Dass sie Mann oder Frau sei, zu einer Rasse, einem Geschlecht, einer Nation, einer Gruppe, einem Stamm, einer Kultur, einer Religion, einer Geschichte gehöre.
Nichts von alledem ist Entscheidung oder innewohnend. Es ist ererbt und geliehen, sei es Glaube und Überzeugungen, sei es Biologie. Es ist eine Geschichte, die in den Ideen von Vorfahren und kulturellem Erbe verwurzelt sind, gespeichert als Erinnerung in Zellen und Unterbewusstsein. Identität ist konditioniert, ein Programm, das einen angenommenen Anfang in Geburt und ein vermutetets Ende im Tod hat. Aber nichts davon ist, was wirklich ist.
Was wirklich ist, hat keinen Namen und keine Zugehörigkeit. Es kennt weder mich, noch dich noch den anderen, weder das Morgen noch das Gestern, weder Überlegenheit noch Unterlegenheit, weder richtig noch falsch, weder gut noch böse. Es braucht keine Verbesserung, kein Morgen, kein Nächstes, kein Besser. Es braucht keine Heilung. Es ist der Inbegriff von Vollendung, von Frieden, von Befreiung.
Und auf der Suche nach dem, was wirklich ist, dem Versuch, Trauma/Karma zu überwinden und die wahre Natur zu finden, das wahre Selbst, Bestimmung, wer sie angeblich sein solle – existiert was wirklich ist bereits jenseits von Zeit und Raum. Es hat weder Anfang noch Ende, es kennt weder Geburt noch Tod. Es hat keine Fragen und keine Antworten, keinen Grund und keinen Zweck.
In dem Moment, in dem entdeckt wird, dass Identität und jegliche Zugehörigkeit erfunden sind, ein Konzept, eine Idee, eine Formation (in Formation), hört der Krieg auf und wird vom kollektiven Erbe und Trauma/Karma befreit, das Persönlichkeit und Unterbewusstsein bestimmt haben. Identität wird als Phantom enthüllt. Es gibt nichts mehr zu schützen, nichts zu verteidigen, nichts zu erkämpfen, nichts zu erreichen, nichts zu jagen oder zu suchen. Was wirklich ist, liegt jenseits von Verletzlichkeit. Es kann weder berührt noch verletzt werden. Es ist reines, unbegrenztes und unbestimmtes Gewahrsein, in dem alle Erfahrung, Zeit, Raum, Biologie erscheinen.
Die Natur von allem, was geschieht, von aller Manifestation ist vergänglich und vorübergehend. Es gibt weder ein definiertes, abgegrenztes ich, noch dich, noch irgend jemand anderen. Alles Erleben geschieht in einem sterblichen Körper, interpretiert und gesteuert über einen organischen Prozessor, das Gehirn, das durch seine Art der konditionierten Wahrnehmung eine „Realität“ von Subjekt und Objekt, eine „Realität“ der Trennung erschafft.
Die Geschichte von „mir und dir“ ist eine Erfindung, basierend auf (kultureller) Konditionierung. Alle Erzählungen über mich und die anderen sind erfunden und in das projiziert, was „die Welt“ genannt wird. Alle Geschichten beginnen und enden dort, sind an die „Matrix“ gebunden: ein Produkt des (kollektiven) Mind.
In dem Moment, in dem die Jagd auf Phantome endet, entsteht großer innerer Frieden und Befreiung, unabhängig von den temporären und sich ständig verändernden Erscheinungen „der Welt“.