Verwirrt dein Geist, wohin ist gestern nur verschwunden? Gestern war sie noch da, warm und weich, und heute ist alles leer. Kein Zuspruch, keine Aufmerksamkeit, keine Zärtlichkeit. Nur Vergessen. Es ist sowieso nicht wahr, du weisst schon lange nicht mehr, was du ausserhalb dessen, was du zu denken gelernt hast, glauben sollst. Deine Welt ist ein geordneter Mechanismus und so funktioniert sie, wären da nur nicht diese Augenblicke, die du fühlen kannst, die etwas mit dir machen, die dich in Unruhe bringen, in eine Art Schwingung, Bewegung, die deine Konzentration kurzzeitig entfesselt.
Dann öffnet sich eine Tür, für Sekundenbruchteile, und du siehst etwas, das du nicht sehen kannst weil du es greifen und festhalten möchtest. Du möchtest es dir einverleiben, so wie du dir alles einverleibst. Essen, Menschen, Dinge, Gefühle, Empfindungen, Erlebnisse. Die Tür schliesst sich wieder.
Vor mehreren Tagen, eine Potenz von gestern, da war es so hart, dass du es gespürt hast, tief einschneidend. Das ist das Leben. Wertvolle Momente in denen du spürst, was an Lebendigkeit noch in dir übrig geblieben ist, abseits all der Verpflichtungen, der Kompromisse, der vermeintlichen Vernunft, des Plans, der dein Leben schon früh zu determinieren begann, noch bevor du überhaupt selbst klar denken konntest. Wer zum Teufel?
Wenn du spürst, wie alles in dir nur mehr Feuer ist, dann weinst du vor Glück. Wenn du spürst, wie dein Atem stehen bleibt, dann weisst du auf einmal, wie flach dein Leben ist, wie wenig diese Ration an Teilnahme ist, die du dir zugestehen lässt. Durch das Aufblasen nimmst du zwar mehr Raum ein, jedoch mehr Raum gewinnst du nicht. Nur dein Gefängnis wird enger.
In dem einen Moment vergisst du, wer du bist. Und dann spürst du diese grosse Sehnsucht nach Freiheit, nach der Hingabe an etwas, das sich deiner Kontrolle entzieht. Eine Freiheit, die du nicht in Besitz nehmen kannst, eine Freiheit, die dich in Besitz nimmt, dich über deine eng gesetzten Grenzen hinweg in einen Abgrund wirft, dessen tiefer Grund warm golden leuchtend nach oben schimmert, dahinter eine andere Welt, die kein jenseits mehr hat, so wie du es noch nicht in deinen Träumen gesehen hast. Doch seine Wände sind schwarz und eng und weit und ohne Halt, so wie du es in deinen dunkelsten Alpträumen gesehen hast.
So gibst du den Gedanken an die Freiheit wieder auf und weinst, weil du dich so lebendig fühlst in diesem tiefen einschneidenden Schmerz, der dich im nächsten Augenblick durchfährt. Viel ist dir nicht geblieben, aber das, das kann dir niemand nehmen.